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Vererbung

Mukopolysaccharidosen, Mukolipidosen und Mannosidosen sind genetisch bedingte und damit vererbbare Erkrankungen. Um zu verstehen, wie diese vererbt werden, ist ein kleiner Ausflug in die Genetik hilfreich.

Jede Zelle unseres Körpers enthält im Zellkern 46 Chromosomen, die die gesamte Erbinformation des jeweiligen Menschen tragen. Die Erbanlagen, auch als „Gene“ bezeichnet, bestimmen die Merkmale eines Menschen. Die Hälfte der Chromosomen stammt aus der Eizelle der Mutter, die andere Hälfte aus der Samenzelle des Vaters. Vierundvierzig der 46 Chromosomen liegen paarweise vor. Sie werden autosomale Chromosomen genannt. Eine (fast) perfekte Vorsichtsmaßnahme der Natur, denn alle Erbinformationen sind somit sicherheitshalber doppelt vorhanden. Ist also ein Gen auf einem Chromosom geschädigt, kann dieser Fehler meist durch ein gesundes Gen auf dem zweiten Chromosom ausgeglichen werden. Man spricht hier von einem rezessiven Erbgang. Reicht ein krankes Gen aus, um den Betroffenen krank zu machen, nennt man es dominant. Auf den beiden anderen gonosomalen Chromosomen X und Y ist das Geschlecht verankert. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer jeweils ein X- und ein Y-Chromosom.

Die Erbinformation, die den Enzymdefekt bei allen ML-Formen, der Alpha-Mannosidose und allen MPS-Typen, ausgenommen Typ II (Morbus Hunter) bedingt, sitzt auf einem der 44 autosomalen Chromosomen. Der Gendefekt wird deshalb autosomal-rezessiv vererbt. Wer also nur auf einem der Chromosomen den Gendefekt trägt, ist gesund, da das zweite gesunde Gen den Defekt ausgleichen kann. Diese Menschen sind aber Träger des Gendefektes und können ihn an ihre Nachkommen weitergeben. Nur wer auf beiden Chromosomen die Erbanlage für die jeweilige Krankheitsform trägt, erkrankt. Das passiert, wenn beide Elternteile Träger eines Gendefektes für diese Erkrankung sind und beide ihr krankes Gen an ihr Kind weitergeben.

Sind beide Elternteile Träger, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Gendefekte von beiden Seiten an das Kind vererbt werden, rein statistisch bei 25%. Genauso groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es beide gesunde Gene erbt. Die andere Hälfte der Nachkommen ist gesund, aber Überträger der Erkrankung, da sie – wie ihre Eltern auch – jeweils eine gesunde und eine defekte Erbanlage tragen.

Das Vererbungsmuster ist bei jeder erneuten Schwangerschaft gleich. Ein solcher Gendefekt kann somit unbemerkt über viele Generationen vererbt werden, ohne dass ein Familienmitglied erkrankt. Jungen und Mädchen haben das gleiche Risiko zu erkranken, da die defekte Erbanlage nicht auf einem Geschlechtschromosom liegt.

Ein anderer Fall ist der Morbus Hunter, also MPS Typ II. Hierbei wird die Krankheit die autosomal-rezessiv, sondern gonosomal-rezessiv vererbt.

Als Geschlechtschromosomen (X und Y) liegen bei der Frau zwei X-Chromosomen vor, eines vom Vater und eines von der Mutter, beim Mann ein X-Chromosom von der Mutter und das Y-Chromosom vom Vater. Die Bauanleitung für das Enzym, das bei MPS II defekt ist, sitzt auf dem X-Chromosom und wird „rezessiv“ vererbt. Das heißt: Ist bei einer Frau die Bauanleitung für das Enzym auf einem X-Chromosom geschädigt, kann dies durch eine intakte Bauanleitung auf ihrem zweiten X-Chromosom wettgemacht werden. Sie ist somit gesund, da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen. Sie kann aber die geschädigte Erbanlage auf dem einen X-Chromosom an ihre Söhne und Töchter weitergeben. Diese Frauen werden deshalb auch als „Konduktorinnen“ (Überträgerinnen) bezeichnet. Bei Männern ist es anders: Sie besitzen nur ein X-Chromosom. Erben sie nun das geschädigte X-Chromosom der Mutter, erkranken sie, da sie kein zweites gesundes X-Chromosom haben, sondern ein Y-Chromosom. Deshalb erkranken an Morbus Hunter nahezu ausschließlich Männer. Nach neuesten Untersuchungen liegt die Inzidenz bei 1,3 Fällen pro 100.000 männlichen Neugeborenen.

Söhne von Überträgerinnen haben ein Risiko von 50 Prozent, das geschädigte X-Chromosom zu „erben“ und damit zu erkranken. Bei Töchtern liegt die Wahrscheinlichkeit, das defekte X-Chromosom zu „erben“ und zur Überträgerin zu werden, ebenfalls bei 50 Prozent. Genau so groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Sohn gesund, die Tochter keine Überträgerin ist.

Das Vererbungsmuster ist bei jeder erneuten Schwangerschaft gleich. Ein solcher Gendefekt kann somit unbemerkt über viele Generationen vererbt werden, ohne dass ein Familienmitglied erkrankt. Tritt in einer Familie ein Fall von Morbus Hunter auf, sollten sich alle Frauen der mütterlichen Verwandtschaftslinie untersuchen lassen, damit Überträgerinnen erkannt werden. Dies macht bereits im Vorfeld oder in den ersten Monaten einer Schwangerschaft eine humangenetische Beratung und eine vorgeburtliche Diagnostik möglich. Nähere Informationen zur Familienplanung erhalten Sie in unserer Broschüre. Jungen mit MPS II durchlaufen eine normale Pubertät und können zeugungsfähig werden. Die Söhne eines Mannes mit Morbus Hunter sind alle gesund, wenn die Mutter des Kindes keine Überträgerin ist. Die Töchter sind dagegen alle Überträgerinnen des defekten Gens. Eine MPS II-Erkrankung kann aber auch durch einen Gendefekt spontan auftreten – also ohne, dass die Mutter Überträgerin ist. Das ist bei den wenigen Mädchen der Fall, bei denen eine MPS II bekannt ist.

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